Im Sommer 1998 entdeckte ich im Stadel meines Onkels, auf dessen Bauernhof meine Familie und ich gerade Urlaub machten, den kleinen Traktor Kramer KL11. Der Hof wird nicht mehr bewirtschaftet und umso verwunderlicher war es, dass dort der angemeldete Kramer sogar mit TÜV-Plakette aus der Scheune heraus schaute. Die Kinder sprangen um den Kramer herum und riefen "Trekker fahren, Trekker fahren". Es stellte sich heraus, dass ein Nachbar den Traktor dort unterstellte, aber keinerlei Interesse mehr daran hatte. So kam ich auf wundersame Weise zu meinem ersten Traktor.
Der Schlepper wurde früher auf einem kleinen Hof bewegt, wo er keine schweren Arbeiten verrichten musste. So waren Motor und Getriebe in einwandfreiem Zustand. Nach drei Wochen Familienausflügen mit dem nun lieb gewonnenen Traktor, entschloss ich mich ihn zu restaurieren. Die erste Bestandsaufnahme war nicht erschreckend. Nachdem ich ihn erst einmal mit einem Heißwasser-Hochdruckreiniger gereinigt hatte, ergaben sich folgende Baustellen: Die Kupplung ließ sich nicht mehr nachstellen und musste komplett erneuert werden. Nach dem Strahlen von Kotflügeln, Felgen, Sitz und Haube war eigentlich nur die vordere linke Felge in einem schlechten Zustand, sie konnte aber noch mit Schweißen und Verschleifen gerettet werden. Das Fahrwerk blieb zusammen, wurde abgeschliffen, mit Rostschutzgrundierung behandelt und anschließend im original Kramer-Grün gespritzt. Dasselbe machte ich mit den Anbauteilen - die Felgen natürlich in Rot. Die Elektrik bekam einen neuen Kabelbaum und zwei neue Rücklichter. Sechs Monate später musste die Lichtmaschine auch noch getauscht werden. Die beiden Vorderreifen waren auch nicht mehr die Besten und wurden erneuert. Da ich Handgas überhaupt nicht mag, baute ich ein Gaspedal neben die Fußbremse und in diesem Zuge auch größere Trittflächen für die kleinen Kinderfüße, einen bequemen Aufstieg vorne links und an der Ackerschiene zum Schutz eine große Platte. Bei der Endmontage wurden natürlich die meisten Schrauben ausgetauscht sowie fast alle Gummiteile erneuert. Die neue TÜV-Plakette war dann kein Problem mehr.
Rückblickend war es eine einfache Restauration, da der Kramer in einem guten Zustand war, obwohl die Ersatzteilbeschaffung vor zwanzig Jahren noch gar nicht so einfach war. Mittlerweile haben sich diverse Firmen darauf spezialisiert, Neuteile anzubieten und nachzubauen, sodass es in der heutigen Zeit erheblich einfacher ist.
Angefangen hat alles in dem kleinen Ort Gutmadingen, wo die drei Gebrüder Kramer einen Motor- Mäher entwickelten. Einer der Brüder eröffnete 1918 einen Landmaschinenhandel. Da alle drei in der Landwirtschaft aufwuchsen, kannten sie die schwere und mühevolle Arbeit auf dem Feld. Zuerst wurden sie skeptisch beäugt, da die Bauern nur schwer bis gar nicht von den Vorzügen des Motormähers zu überzeugen waren. Im Jahr 1925 wurde die von einem 4 PS starken Zweitakt-Benzinmotor angetriebene Maschine einer Gruppe Interessierten vorgestellt. Der Acker war gefroren und trotzdem überzeugte der Mäher auf ganzer Linie. Er konnte pflügen, mähen und eine Kreissäge konnte angetrieben werden. Das war der Durchbruch. In dem darauffolgenden Jahr konnten 33 Maschinen verkauft werden. 1926 wurde die Maschine auf der DLG-Ausstellung in Dortmund einem größeren Publikum vorgestellt. In den folgenden Jahren entwickelten die Brüder immer weiter und verbesserten die Maschine kontinuierlich. Der Motor wurde durch ein Güldner-Dieselmotor ersetzt und 1933 wurde der Kleinschlepper vorgestellt, der unter dem Namen "Allesschaffer" berühmt wurde. Die Nachfrage war groß und die Werkhallen zu klein. Immer wieder wurde angebaut. Bis zum Jahr 1939 wurden über 10.000 Maschinen verkauft. So beschloss man die freistehenden Hallen in Überlingen zu erwerben. 1939 lief die Produktion dort im vollen Umfang. Der Ausbruch des zweiten Weltkrieg veränderte jedoch alles. Ins Ausland wurde kein Schlepper mehr versandt. Im Inland wurde fast nur noch für die Kriegsmaschinerie produziert. Im Laufe des Krieges wurde der Treibstoff immer knapper und so beschloss man, mittlerweile mit Deutzmotoren ausgerüstet, die Schlepper auf Gasmotoren umzurüsten. Der letzte Holz-Gas- Schlepper wurde 1948 ausgeliefert. Nach dem Krieg lief die Produktion nur langsam wieder an. Fast alle Maschinen und Werkzeuge waren aus den Hallen ausgebaut und nach Frankreich verlegt. Aber bald florierte das Geschäft wieder, da die Landwirtschaft einen großen Aufschwung erfuhr. Zu den Schleppern kam noch das zweite Standbein "Baumaschinen" dazu. Im Jahr 1970 waren die Verkaufszahlen soweit zurück-gegangen, dass man sich entschloss, den Schlepperbau aufzugeben und sich nur noch den Baumaschinen zu widmen.